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Siedlungshierarchien und kulturelle Räume
Siedlungshierarchien, kulturelle Räume, soziale Evolution und Territorialität im 8. bis 4. Jh. v. Chr. in Südwestdeutschland und den angrenzenden Regionen
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Projektbeschreibung



Einleitung

Die Konzeption des SPP sieht die Erforschung der Zentralisierungsprozesse auf makroregionaler Ebene vor, da Zirkelschlüsse in beschränkten Gebieten vermieden werden sollen. Das Projekt übernimmt daher innerhalb des SPP die Aufgabe einer flächendeckenden Erfassung hallstatt- und frühlatènezeitlicher Fundstellendaten in Südwestdeutschland und den angrenzenden Regionen. Deren Auswertung beschreitet methodisch einerseits den Weg einer siedlungsarchäologischen Analyse. Dabei liegt der Fokus auf dem weiträumigen und diachronen Erkennen von Orten, Räumen und Phasen unterschiedlicher Zentralität (Siedlungshierarchien). Andererseits müssen zur Beantwortung einiger Kernfragen des SPP (z.B. Territorialität; soziale Integration, politische Zentralisierung) völlig neue Verfahren angewendet werden. Geeignete Methoden zur Erfassung und statistischen Auswertung kultureller Ähnlichkeiten in Zeit und Raum („kulturelle Metrik“; „archäologische Kulturgeographie“) sind in der ersten Projektphase entwickelt worden. Dadurch wird die Möglichkeit einer echten landschaftsarchäologischen Perspektive im SPP eröffnet, nämlich die Interpretation der Siedlungsstrukturen/-hierarchien vor dem Hintergrund der (letztlich untrennbaren) naturräumlichen und kulturräumlichen Bedingungen und Bedingtheiten. So wird zu untersuchen sein, ob es Korrelationen zwischen bestimmten Traditionsgruppen bzw. Kulturräumen und der Herausbildung komplexer Zentralorte vom Typ Fürstensitz gibt. Das Projekt soll letztlich einen holistischen Ansatz im SPP garantieren und durch die Vernetzung der Disziplinen und regionalen Einzelprojekte einen wesentlichen Beitrag zur Synthese der Teilergebnisse des Forschungsverbundes leisten.



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Projektziele

Das Projekt zielt inhaltlich auf die Beantwortung folgender Fragen:
- Wie entwickelte sich die Verteilung der Bevölkerungsdichte im Untersuchungsgebiet während des 8. bis 3. Jahrhundert v. Chr. (diachrone Verteilung der Fundstellendichte)?
- Wie veränderte sich die Siedlungsstruktur (diachrone Verteilung der Fundstellenarten und –lagetypen)? Wie waren die zentralörtlichen Funktionen in Raum und Zeit verteilt und welche Siedlungshierarchien bestanden innerhalb der Siedlungssysteme (Ermittlung der archäologischen Nachweise für zentralörtliche Funktionen nach einheitlichem Kriterienkatalog)?
- Wie sah die räumliche Interaktionsstruktur und die räumliche Verteilung der Kollektive aus (Verteilung kultureller Ähnlichkeiten)? Kam es in Folge der Zentralisierung zu Akkulturationsprozessen und zur Integration kleinregionaler Kollektive in größere Verbände (diachrone Entwicklung kultureller Ähnlichkeiten)?
- Kam es in allen Regionen des Untersuchungsgebiets zur Entwicklung komplexer Zentren ? falls nein: Wo liegen die Ursachen (Verhältnis von Fundstellendichte, Fundstellenarten, Verteilung kultureller Ähnlichkeiten und naturräumlichen Voraussetzungen)?


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Forschungsstand

Der Quellenstand der Hallstatt- und Frühlatènezeit in Südwestdeutschland kann derzeit als gut bezeichnet werden. Zahlreiche regionale Materialvorlagen stellen eine umfangreiche Materialbasis zur Verfügung. So liegen z.B. für das ehemalige Verwaltungsgebiet Württemberg-Hohenzollern monographische Veröffentlichungen der eisenzeitlichen Höhensiedlungen durch BIEL (1987), der hallstattzeitlichen Grabfunde durch ZÜRN (1987) und der Depotfunde durch KURZ (1995) vor. Die Siedlungen der Hallstatt- und Frühlatènezeit wurden von KLEIN (2004) und die frühlatènezeitlichen Gräber von LIEBSCHWAGER (1969) vorgelegt. Eine Monographie zu den hallstattzeitlichen Höhensiedlungen des Breisgaus stammt von KLUG-TREPPE (2003) und die latènezeitliche Keramik dieses Gebietes bearbeitete RÖDER (1995). Neben solchen Bearbeitungen einzelner Quellengruppen sind regionale Gesamtdarstellungen unter Berücksichtigung sämtlicher Quellengruppen einer Epoche geläufig. Zu nennen sind hier die Bearbeitung der Urnenfelder- und Hallstattzeit des Kraichgau von BAUMEISTER (2002), der Hallstattzeit in Nordbaden von NELLISSEN (1975) und der Hallstattzeit im Nordosten Baden-Württembergs von BAITINGER (1999).


Siedlungsarchäologie und Landschaftsarchäologie

Unter Siedlungsarchäologie ist heute ein geographisch orientierter Bereich der Archäologie zu verstehen, der die Siedlungsweise auf der einen Seite im Verhältnis zur natürlichen Umwelt und auf der anderen Seite im Bezug auf kulturelle, soziale, ökonomische und demographische Faktoren untersucht.
Heute sind siedlungsarchäologische Regionalbearbeitungen ein Standard der archäologischen Forschung (z. B. SCHIER 1990; KRAUSSE 2002; NAKOINZ 1998; WILLROTH 1992). Ergänzend zu den klassischen Ansätzen treten seit einigen Jahren vermehrt GIS-Untersuchungen, die zwar ein eingeschränktes Methodenspektrum aufweisen, aber zur Analyse räumlicher Korrelationen sehr großer Datenmengen bestens befähigt sind (z. B. POSLUSCHNY 2002; SAILE 1997).
Die Untersuchung von Siedlungssystemen kann als Landschaftsarchäologie bezeichnet werden. Beim derzeitigen Forschungstand stehen viele interessante und plausible Thesen zur Entwicklung von Siedlungshierarchie und Sozialstruktur im Raum. Neben dem Modell der „Konzentration der Macht von SIEVERS (1982), BIEL (1987) und PARE (1989) sind Alternativen beispielsweise von FRANKENSTEIN u. ROWLANDS 1978; NASH 1985; BURMEISTER 2000 und DIEPEVEEN-JANSEN 2001 zu nennen. Eine Beurteilung der einzelnen Modelle muss jedoch an einer überregionalen empirischen Datenbasis erfolgen.


Archäologisch-kulturgeographische Analyse

Die Abgrenzung von kulturellen Einheiten der Eisenzeit in Südwestdeutschland wurde zunächst von SCHUMACHER (z. B. 1921) intensiv betrieben. Hier grenzt er z. B. Mehrener Typus/Hunsrück-Eifel-Kultur, Koberstadter Typus und Salemer Typus/Hallstatt-Kultur voneinander ab. Seine Interpretationen sind allerdings von der Vorstellung von Völkerwanderungen als dominantem Element geprägt. Im Bereich der Peripherie der Hallstattkultur werden viele weitere Arbeiten zur regionalen Abgrenzung kultureller Einheiten vorgelegt (z. B. JORNS 1942, DEHN 1941; HAFFNER 1965, SEHNERT 1991; HORNUNG 1999; NAKOINZ 2005). Die innere Gliederung der Hallstattkultur wurde weitaus zurückhaltender analysiert. Im Wesentlichen beschränken sich die älteren Versuche für Baden-Württemberg auf die Arbeiten von KRAFT (1929), Keller (1939) und ZÜRN (1941). Für die jüngerer Zeit sind Brosseder (2004) und Stegmaier (2006) zu nennen. Eine, wenn auch nur großräumige regionale Differenzierung der Latènekultur anhand der Tracht legte LORENZ (1978) vor. Das gerade Trachtbestandteile eine sehr feine Unterteilung erlauben zeigte HEYNOWSKI (1992), allerdings nur für die Mittelgebirgszone.




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Methoden


Datenerfassung und Datenbankstruktur

Alle verfügbaren Daten zu ältereisenzeitlichen Fundstellen in Baden-Württemberg werden zunächst in einem analogen Katalog zusammengetragen. Anschließend werden die Daten, die für die Fragestellungen relevant sind in eine Datenbank eingegeben. Als Quellen dienen:
- Literatur
- Ortsakten
- ADAB (Allgemeine Denkmaldatenbank Baden-Württemberg)
- analoge und digitale Daten anderer Bearbeiter
Eine sachgemäße und effiziente Analyse setzt eine geeignete Datenstruktur voraus. Dementsprechend ist die Datenbank hierarchisch strukturiert und besitzt vier Ebenen. Eine direkte Anbindung an ein geographisches Informationssystem und an VBA-Analysemodule ist gegeben.


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Abb. 1 Datenbankhierarchie.
In der Datenbank wurden bisher 11.815
Fundstellen, 12.326 Objekte, 10.132 Komplexe und 68.552 Funde erfasst.
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Abb. 2: Karte der Fundstellen


Projektarchitektur
Die Analysen des Projektes gliedern sich in vier Bereiche. Neben der Landschaftsarchäologie, der Sozialarchäologie und der Wirtschaftsarchäologie wird auch die archäologische Kulturgeographie behandelt.

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Abb. 3: Projektarchitektur

Landschaftsarchäologische Analyse

Die landschaftsarchäologische Analyse als Teilbereich des Projektes soll die Siedlungsstrukturen und Siedlungshierarchien, die sich während der Hallstatt und Frühlatènezeit in Baden-Württemberg herausgebildet haben untersuchen. Dazu ist eine flächendeckende Aufnahme möglichst aller bekannten Fundstellen im Arbeitsgebiet notwendig.
Ausgangspunkt der Analyse bilden die naturräumlichen Einheiten des Arbeitsgebietes. So können zunächst auf relativ kleinregionalen Gebieten z. B. Gunst- und Ungunstfaktoren herausgestellt werden, die in verschiedenen Wertigkeiten und Kombinationen Grundlage für die Siedlungsmuster sind. In einem zweiten Schritt können die gewonnenen Ergebnisse miteinander verglichen und für das gesamte Arbeitsgebiet als makroregionale Synthese formuliert werden. Dadurch wird auch die Möglichkeit eröffnet qualitativ bessere Ergebnisse aus besonders gut aufgearbeiteten Gebieten auf weniger gut untersuchte zu übertragen, womit die Probleme, die sich aus dem regional unterschiedlichen Forschungstand ergeben, wenigstens zum Teil ausgeglichen werden können.
Zur Analyse und Aufbereitung der Daten wird neben der Projektdatenbank, in erster Linie ein Geoinformations-System eingesetzt. So können in relativ kurzer Zeit die benötigten Geo- und Naturraumdaten den Fundstellen zugewiesen und statistisch ausgewertet werden. GIS-basierte Analysenmethoden, wie z. B. die verschiedenen Möglichkeiten zur Interpolation von Punktdaten, ermöglichen Aussagen zu Fundstellendichten, Bevölkerungsdichten, Nutzungsintensitäten und zur Größe von Siedlungsarealen (Zimmermann u. a. 2004).

Abb. 2   [zoom]

Abb. 4: Dichtekartierung am Beispiel der frühlatènezeitlichen (links) und hallstattzeitlichen (rechts) Besiedlung im nordöstlichen Baden-Württemberg


Archäologisch-kulturgeographische Analyse

Die archäologisch-kulturgeographische Analyse untersucht vor allem die Funde, aber auch die Befunde. Die Vorgehensweise ist an jede der quantitativen Untersuchung kultureller Distanzen des Mittelrheingebietes (Nakoinz 2005) angelehnt, wurde für die Fragestellungen des DFG-SPP jedoch optimiert. Ein Punkt im geographischen Raum wird anhand der Typen aus seiner Umgebung charakterisiert. Jeder als Merkmal dienende Typ kann hierbei als Dimension eines multidimensionalen Merkmalraumes verstanden werden. Die Gesamtheit der Typen wird in Typenspektren, die gewissermaßen einen „kulturellen Fingerabdruck“ eines Gebietes darstellen zusammengefasst. Anhand einer Metrik können kulturelle Distanzen zwischen den Typenspektren ermittelt werden. Eine Clusteranalyse erlaubt es kulturell zusammengehörige Bereiche zu ermitteln.

Abb. 3   [zoom]

Abb. 5: Schematische Darstellung eines Typenspektrums

Kulturelle Distanzen lassen sich jedoch auch in Bezug auf einen Referenzpunkt als Isolinienkarte visualisieren. Durch die Darstellung von Linien, deren Punkte alle den gleichen kulturellen Unterschied zum Referenzpunkt aufweisen lässt sich die Formgebung der „kulturellen Territorien“ der Referenzpunkte sehr gut veranschaulichen.






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Abb. 4   [zoom]

Abb. 6: Mittelrheingebiet: Analyseeinheiten und Verteilung der Cluster in der Kategorie ‚Schmuck’ n. Nakoinz (2005, Abb. 7.2.3). Analyeeinheiten als scharfe Mengen
Abb. 5   [zoom]

Abb. 7: Mittelrheingebiet: Fundstellen, Analyseeinheiten und Verteilung der Cluster in der Kategorie ‚Schmuck’. Analysiert mit der optimierten Methode. Analyseeinheiten als unscharfe Mengen
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Abb. 6   [zoom]

Abb. 8: Mittelrheingebiet: Fundstellen
und kulturelle Ähnlichkeiten in der Kategorie ‚Schmuck’ als Isoliniendarstellung vom Goloring bei Bassenheim aus gesehen

Abb. 7   [zoom]

Abb. 9: Mittelrheingebiet: Fundstellen und kulturelle Ähnlichkeiten in der Kategorie ‚Schmuck’ als Isoliniendarstellung vom Stadtwald in Frankfurt aus gesehen
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Letzte Änderung: 31.05.2010