www.fuerstensitze.de / Eisenzeitliche Vegetationsgeschichte in Mitteleuropa / Laufende Arbeiten    
Eisenzeitliche Vegetationsgeschichte in Mitteleuropa
Vegetationsgeschichtliche Untersuchungen zu eisenzeitlichen Zentralisierungsprozessen im südlichen Mitteleuropa
  Newsletter    Suche    Sitemap    Impressum     




Laufende Arbeiten



Pflanzenproduktion

Fundplätze der Bronze- und Eisenzeit in Südwestdeutschland und angrenzenden Gebieten mit archäobotanischen Untersuchungen   [zoom]
Einblick in die eisenzeitliche Landwirtschaft geben Pflanzenreste von archäologischen Fundplätzen und Pollenprofile aus natürlichen Ablagerungen. 13 eisenzeitliche Fundplätze wurden vergleichend auf der Basis von befundbezogener Stetigkeit ausgewertet. Aufgrund archäologischer Kriterien wurde zwischen zentralen und ländlichen Plätzen unterschieden. Ein chronologischer Überblick berücksichtigt alle 80 bisher untersuchten metallzeitlichen Fundplätze (siehe Karte).
Zur Liste der Fundplätze hier klicken
zum Seitenanfang



- Die ackerbaulichen Nutzpflanzen der Eisenzeit

In der Eisenzeit wurden alle gängigen Getreide außer Hafer und Roggen angebaut, dazu Hülsenfrüchte, sowie Öl- und Faserpflanzen. Am häufigsten war überall die Mehrzeilige Spelzgerste, gefolgt vom Dinkel. An den Zentralorten - Kirchheim-Bugfeld, Heuneburg-Vorburg und -Außensiedlung - tritt eine Beschränkung auf diese beiden Arten besonders deutlich hervor. Andere Getreide fallen daneben in der Stetigkeit deutlich ab oder fehlen ganz. Dies kommt in der deutlich geringeren Evenness zum Ausdruck.
Vergleich der Getreidespektren ausgewählter eisenzeitlicher Fundplätze Südwestdeutschlands und des Elsass. Dargestellt sind die befundbezogenen Stetigkeiten von Getreidekörnern an Plätzen mit einer Mindestzahl reicher Befunde   [zoom]

Auch in den ländlichen Siedlungen haben Spelzgerste und Dinkel die höchste Stetigkeit, doch treten auch Emmer, Einkorn, Freidreschender Weizen, sowie Rispen- und Kolbenhirse regelhaft auf. Sie gehörten also zum angebauten und genutzten Kulturpflanzeninventar. Die Evenness ist in den ländlichen Siedlungen entsprechend höher.
Demnach wurde auf dem Land offenbar alles angebaut, zur Überschusserzeugung allerdings bevorzugt Spelzgerste und Dinkel. Diese Überschüsse wurden vermutlich in die Zentralorte exportiert. Die größere Vielfalt auf dem Land ist durch Risikominderung und Entzerrung von Arbeitsspitzen zu erklären, die geringe Vielfalt in den Zentren durch selektiven Import.
Evenness der Getreidespektren an eisenzeitlichen Fundplätzen auf der Basis der Stetigkeiten der Getreidekörner. Eine Evenness von 1 würde bedeuten dass alle Getreidearten am Fundplatz die gleiche Stetigkeit haben.   [zoom]

Die Kombination von Gerste als Sommer- und Dinkel als Winterfrucht ist wegen der Risikominimierung und der Arbeitsspitzenentzerrung von Vorteil. Deshalb wurden stets beide angebaut, zumal Dinkel als Brotgetreide und wegen seiner Hochwertigkeit als Nahrungsmittel Vorzüge hat.
Gerste als Sommerfrucht hat eine kurze Reifezeit, ein günstiges Korn/Stroh-Verhältnis und von allen verfügbaren Getreidearten insgesamt die größte Toleranz gegenüber Boden und Klima. Hinsichtlich Bodenversauerung wären Roggen und Hafer günstiger, Hafer auch hinsichtlich Staunässe, doch waren sie wohl als Kulturpflanzen noch nicht verfügbar. Gerste ist hinsichtlich der Erntezeit viel toleranter als die Spelzweizen, weil auch bei verspäteter Ernte die Körner nicht ausfallen. Achillesverse ist, wie allgemein bei Sommergetreide, das enge Zeitfenster für die Aussaat: Verschiebt sich diese aus Witterungsgründen in den April, sind Ertragseinbußen zu erwarten. Der robuste und ertragsstarke Dinkel hat Vorteile gegenüber Einkorn und Emmer und auch gegenüber dem witterungsempfindlichen Freidreschenden Weizen.
Befundbezogene Stetigkeit von Hülsenfrüchten an eisenzeitlichen Fundplätzen Südwestdeutschlands und des Elsass   [zoom]

Hülsenfrüchte, sowie Öl- und Faserpflanzen spielten in den Zentralorten nur eine geringe Rolle, weil der Bedarf an Eiweiß und Fett hier bevorzugt durch tierische Nahrung bestritten wurde.
Die Nahrungspflanzenfunde geben den Verbrauch wieder, nicht die Erzeugung, und zwar an zentralen und an ländlichen Plätzen. Vermutlich unterschied sich die Produktion an beiden nicht. Die Unterschiede kamen dadurch zustande, dass landwirtschaftliche Produkte selektiv vom Land in die Zentren verschoben und dadurch dort angereichert wurden.


zum Seitenanfang



- Die Entwicklung des Ackerbaus während Bronze- und Eisenzeit

Mit neun Arten ist das Inventar im Getreidebau zwischen der Späten Bronze- und der Latènezeit deutlich breiter als zuvor. Lässt man die zentralen Plätze der Hallstattzeit außer Betracht, so unterscheiden sich die ländlichen Plätze dagegen kaum von der Urnenfelder- und der Latènezeit. Bei normierter Stetigkeit hebt sich die Hallstattzeit sogar durch größere Vielfalt insbesondere von der Latènezeit ab.
Die Hülsenfrüchte nehmen von der Urnenfelderzeit zur Hallstattzeit deutlich zu und in der Latènezeit wieder ab. Das bronzezeitliche Artenspektrum an Öl- und Faserpflanzen wird in der Eisenzeit durch Leindotter und Rübsen erweitert
Chronologischer Vergleich der Getreidespektren in Südwestdeutschland von der Bronzezeit bis zur späten Latènezeit. - Hallstattzeit unten total, darüber differenziert in zentrale und ländliche Plätze. Dargestellt sind die befundbezogen Stetigkeiten der Getreidekörner aller Fundplätze der jeweiligen Periode. Die hellen Balken geben eine normierte Stetigkeit wieder, bei der das häufigste Getreide, die Gerste, auf 100 % gesetzt ist.   [zoom]
Befundbezogene Stetigkeit von Hülsenfrüchten für historische Perioden in Südwestdeutschland von der Bronzezeit bis zur späten Latènezeit – für die Hallstattzeit unten total, darüber differenziert in zentrale und dezentrale Plätze. Eingegangen sind alle Befunde aller Fundplätze der jeweiligen Perioden.   [zoom]
.
zum Seitenanfang



- Dynamik der Bodenentwicklung

Mittlere Stickstoffwerte nach Ellenberg & al. (1991), gewichtet nach Stückzahlen, für verkohlte Unkräuter aus bronzezeitlichen bis mittelalterlichen Fundplätzen. Römische Kaiserzeit bis Frühmittelalter nicht dargestellt. Eingegangen sind für die Metallzeiten alle Fundplätze, die 5 oder mehr Arten mit Stickstoffzeigerwerten enthalten.   [zoom]
Ein Maß für die Nährstoffversorgung eines Ackers und damit für seine Produktivität sind die Stickstoffzeigerwerte nach Ellenberg der Unkräuter. Unter Verwendung dieser Zahlen wurden gewichtete Mittelwerte gebildet. Zum Vergleich wurde mittelalterliche Fundkomplexe mit herangezogen. Zwischen Bronze- und Hallstattzeit kann man eine ausreichende Stickstoffversorgung der Ackerböden feststellen. Ab der Latènezeit und weiter bis ins Hochmittelalter verschlechtert sich die Stickstoffversorgung und wird uneinheitlicher.


Arten der Haftdoldenäcker (Adonisröschengesellschaft). Befundbezogene Stetigkeit, Mittelwert und Standardabweichung in den Metallzeiten und im Mittelalter. Für die Metallzeiten sind alle Fundkomplexe eingegangen, in denen verkohlte Kulturpflanzen und/oder Unkräuter nachgewiesen sind   [zoom]
Gleichzeitig zeigen Arten der Haftdoldenäcker eine Zunahme basenreicher, aber flachgründiger Ackerstandorte, eine Folge von Bodenerosion und von Ackerbau auf Grenzertragsstandorten: Flachgründige Böden sind ertragsschwach, weil ihr geringes Volumen die Wasserspeicherkapazität und damit das Pflanzenwachstum begrenzt.
Die Zunahme der Säurezeiger verläuft analog. Hier sind nicht erosionsgefährdete Böden erfasst, bei denen der Stoffentzug im Zuge langjähriger ackerbaulicher Nutzung die natürliche Versauerung beschleunigte. Das geschieht bei allen Bodenarten, weil die Pflanzen Nährstoffe aus der Bodenwasserlösung als Kationen aufnehmen und dabei gegen Protonen austauschen.



Brachezeiger im Ackerbau; Befundbezogene Stetigkeit, Mittelwert und Standardabweichung in den Metallzeiten und im Mittelalter. Für die Metallzeiten sind alle Fundkomplexe eingegangen, in denen verkohlte Kulturpflanzen und/oder Unkräuter nachgewiesen sind.   [zoom]
Der Bodenermüdung durch den Anbau und dem Stoffentzug durch die Ernten kann man mit Brachen gegensteuern. Brachezeiger wachsen heute auf Fettwiesen oder –weiden, weil ihnen heutige Felder keine Wuchsmöglichkeiten mehr bieten. Früher waren sie auch Ackerunkräuter, begünstigt durch Brachen und schwächere Bodenbearbeitung.
Brachen scheinen im Früh-Latène eine besonders große Rolle gespielt zu haben. Im Stadtsee von Bad Waldsee war während der intensiven Landnutzungsphase in Latène B Klee-Pollen besonders häufig (s.u.). Kleearten sind in der Brache wegen der Stickstofffixierung besonders wichtig.


zum Seitenanfang



Muster der Landnutzung


zum Seitenanfang



- Zeitliche Muster

Geeignete Archive zu Landnutzung und Agrarproduktion gibt es vor allem in Seen würmzeitlichen Ursprungs im oberschwäbischen Jungmoränenland etwa 15 km südöstlich der Heuneburg. Der nächstgelegene See ist der Königseggsee bei Hoßkirch. 32 km südöstlich liegt der Stadtsee von Bad Waldsee. Seine profundalen Ablagerungen sind vom Spätneolithikum bis in die Neuzeit jahreszeitlich geschichtet. Ein neu erbohrtes Profil wurde zwischen 2300 B.C. cal. und 100 A.D. cal. in Abständen von 0,5 cm pollenanalytisch untersucht. Das bedeutet 196 Horizonte und eine zeitliche Auflösung von 12 Jahren. Es gibt zwei markante eisenzeitliche Landnutzungsphasen, erkennbar unter anderem durch deutlichen Anstieg der Nichtbaumpollen-Werte. Sie sind stärker als die beiden vorausgegangenen frühbronze- und urnenfelderzeitlichen und auch deutlicher als die nachfolgenden bis zur römischen Kaiserzeit. Aufgrund des Gehölzpollenrückgangs auf 70-75% kann man auf eine Entwaldung von mehr als 50% schließen.
Hochauflösendes Pollendiagramm aus dem Stadtsee von Bad Waldsee, Spätes Endneolithikum bis Römische Kaiserzeit, zeitlinear. Eisenzeitliche Landnutzungsphasen rosa markiert. T =   [zoom]

Die Nutzungsphasen datieren von 800 v. Chr. bis 650 v. Chr. und 400 v. Chr. bis 300 v. Chr. Anschließend folgt jeweils eine Pionierwaldphase mit Birke und Hasel Buche und Eiche. Zwischen den eisenzeitlichen Landnutzungsphasen gibt es weiterhin schwache Hinweise auf Ackerbau, Viehhaltung und Niederwaldwirtschaft. Die römische Landnutzung ist viel schwächer als die eisenzeitliche. Die beiden eisenzeitlichen Nutzungsphasen fallen in Hallstatt C (800-650 v. Chr.) und Latène A/B (400-300 v. Chr.), was in deutlichem Kontrast zur Besiedlungsdynamik an der Heuneburg steht: Die eisenzeitliche Besiedlungsdynamik an der Heuneburg und in Bad Waldsee verlaufen offenbar komplementär. Ob Bad Waldsee beispielhaft für ländliche Besiedlungsmuster im weiteren Umkreis der Heuneburg steht, oder ob die eisenzeitlichen Besiedlungsmuster in Zeit und Raum noch viel komplexer sind als bisher angenommen, ließe sich nur durch weitere Profile und/oder eine systematische archäologische Landesaufnahme klären.
Die noch nicht abgeschlossene Untersuchung am Königseggsee zeigt eine eisenzeitliche Landnutzungsphase, bei der die Entwaldung mehr als 50% der hochmittelalterlichen erreicht, aber viel stärker ist als in der römischen Kaiserzeit
zum Seitenanfang



- Räumliche Muster

Ausgewählte Pollenprofile im südlichen Mitteleuropa zur Kenntnis der Landnutzung zwischen Bronzezeit und Mittelalter.* Das Profil Königseggsee ist noch in Bearbeitung.   [zoom]
Für einen Überblick über die Landnutzung im gesamten Gebiet des westlichen Hallstattkreises wurden 13 repräsentative Datensätze synchronisiert und synoptisch ausgewertet.
Sie stammen aus dem Harzvorland, der Eifel, der Wetterau, dem Schwarzwald, aus dem Bodenseegebiet und dem Oberschwäbischen Alpenvorland, sowie aus Tirol[1].

Alle zeigen anhand der Summenkurven terrestrischer Nichtbaumpollen zwischen Bronzezeit und Hochmittelalter eine Abfolge anthropogener Entwaldungs- und Wiederbewaldungsphasen, die überregional nicht synchron sind. Während mehr als 3 Jahrtausenden war die Entwaldung also nirgendwo ein kontinuierlich fortschreitender Prozess, sondern überall wechselten sich Nutzungsphasen mit Wiederbewaldungsphasen ab. Generell scheint das Ausmaß der Entwaldung in der Wetterau am stärksten zu sein, gefolgt von Eifel und Bodenseegebiet. Schwächer ist die Entwaldung in Oberschwaben, im Nordschwarzwald und im Harzvorland, noch schwächer im Südschwarzwald.
In der Hallstattzeit erfolgt überall mit Ausnahme des Südschwarzwaldes ein starker Landnutzungsschub, allerdings nicht ohne Unterbrechung und nicht synchron. Der Übergang Späthallstatt/Früh-Latène ist vielerorts mit einem Rückgang der Landnutzung verbunden.

Offenland- und Brandzeiger in ausgewählten Pollenprofilen aus dem südlichen Mitteleuropa von der Bronzezeit bis ins Hochmittelalter, synchronisiert entlang zeitlinearer Skala.   [zoom]
Noch intensiver ist die Landnutzung im Früh-Latène. Im Mittel- und Spät-Latène kommt es am Bodensee, in Oberschwaben, aber auch in Tirol zumindest phasenweise zu einem Nutzungsrückgang. Die nutzungsbedingte Entwaldung in römischer Zeit ist uneinheitlich und meist schwächer als in der vorrömischen Eisenzeit. Geringe Landnutzung und fast völlige Wiederbewaldung ist in der Völkerwanderungszeit festzustellen (Ausnahme: Wilder See im Nordschwarzwald). Die mittelalterliche Landnahme setzt erwartungsgemäß nicht synchron ein, in vielen Gebieten allerdings deutlich vor dem Hochmittelalter. Die maximale Entwaldung wird meist im Hochmittelalter erreicht. Sie war aber nicht sehr viel stärker als in der Eisenzeit.
Getreide und Spitzwegerich in ausgewählten Pollenprofilen aus dem südlichen Mitteleuropa von der Bronzezeit bis ins Hochmittelalter, synchronisiert entlang zeitlinearer Skala. Prozentwerte auf der Basis der Landpollensumme und Verhältnis zueinander   [zoom]





Das Verhältnis von Getreide- zu Spitzwegerichpollen gibt Hinweis auf das Verhältnis von Acker zu Weideland: Mehr Spitzwegerich bedeutet längere Brachen, mehr Weideland, und wohl auch mehr Vieh.
Im Hochmittelalter überwiegt überall Ackerbau. Das bedeutet kurze Brachephasen, wie sie sich zum Beispiel in der Dreifelderwirtschaft ergeben, eine Folge großen Nahrungsbedarfs aufgrund dichter Bevölkerung, was zu sehr ausgedehntem Getreidebau zwang, sich aber negativ auf die Flächenerträge auswirkte. Im Schwarzwald ist auch im Hochmittelalter von mehr Grünlandwirtschaft und längeren Brachen auszugehen.
In der Eisenzeit ist die Situation generell günstiger als im Hochmittelalter, aber regional verschieden. Den meisten Ackerbau und die wenigsten Brachen und Weiden gibt es in der Wetterau und am Bodensee, den Landschaften mit den besten Böden, etwas weniger ausgeprägt auch in Oberschwaben und im Harzvorland. Je größer die Höhenlage, je höher die Niederschläge, je schlechter die Böden, desto länger werden die Brachen.

[1] Für die Überlassung von Daten danken wir Walter Dörfler, Jutta Lechterbeck, Helga Liese-Kleiber, Klaus Oeggl, Astrid Stobbe und Ricarda Voigt.

zum Seitenanfang



Pflanzenproduktion in der Eisenzeit - Versuch einer Bilanzierung


zum Seitenanfang



- Standortskundliche Bilanz

Bodengüte und ackerbauliche Nutzbarkeit jeweils im 6 km Umkreis der Plätze Heuneburg, Ipf/Kirchheim, Asperg/Hochdorf und Walheim   [zoom]
Zur Abschätzung des eisenzeitlichen Agrarpotentials wurden die heutigen Geodaten im Umkreis der vier eisenzeitlichen Plätze Hochdorf, Walheim, Heuneburg und Ipf verschnitten und im Hinblick auf agrarisches Produktionspotential ausgewertet. Es gingen Bodenkarten unterschiedlicher Maßstäbe und die Standortsqualität auf der Grundlage der Reichsbodenschätzung ein. Für die weitere Bewertung wurden Flächen mit Ertragszahl 40 oder höher als potentielles Ackerland gewertet und nach Ertragszahlen weiter klassifiziert. Flächen mit Ertragszahlen <40, mit Hangneigung >10°, Auen und Moore wurden als Weideland eingestuft. Die ackerfähigen Böden dürften in der Eisenzeit dem Ackerbau vorbehalten gewesen sein, während die Weidewirtschaft auf kaum ackerfähigen Böden oder in den Brachephasen auf dem Ackerland stattfand.
Hochdorf und Walheim sind für ackerbauliche Nutzung, besser geeignet als Ipf und Heuneburg. Das liegt am mild-trockenen Klima, an den Lößböden, aber auch am Fehlen großflächiger Feuchtgebiete. Aufgrund der hohen Flächenanteile an Magerrasen bzw. nassem Grünland ist bei Heuneburg und Ipf mit einer größeren Bedeutung der Viehhaltung zu rechnen. Die beiden Plätze im Neckarbecken liegen vorwiegend in der collinen Stufe, wogegen die Umgebung des Ipf und der Heuneburg im Schnitt mehr als 300 m höher in der montanen Stufe liegen, was um zwei Grad Celsius niedrigere Jahresmittel bei höheren Niederschlägen bedeutet. Sowohl hinsichtlich der Böden als auch hinsichtlich des Klimas sind also Walheim und Hochdorf gegenüber dem Ipf und der Heuneburg begünstigt.

zum Seitenanfang



- Möglicher Ertrag und Arbeitsaufwand

Getreideerträge in früherer Zeit aufgrund schriftlicher Quellen und aufgrund von Anbauversuchen. Sofern für die Getreideernte keine Erträge, sondern Ausbeuten angegebenen waren, wurden diese in Erträge umgerechnet und dabei eine Saatstärke von 150 kg/ha zugrunde gelegt.   [zoom]
Für die Eisenzeit ist mit geringeren Erträgen zu rechnen als beim spätneolithischen Waldfeldbau oder in der modernen Intensiv-Landwirtschaft, aber mit höheren als in den mittelalterlich-frühneuzeitlichen Felderwirtschaften. Für mittlere Böden wird er 10 dt (="""""""1000""""""" kg) je ha geschätzt.



Flächenbezogener Arbeitsaufwand im Getreidebau bei nicht mechanisierter und mechanisierter Bewirtschaftung   [zoom]
Bezogen auf den erzielten Ertrag wird der Arbeitsaufwand mit steigendem Flächenertrag geringer, weil eine kleinere Fläche bewirtschaftet werden muss. Er kann für die Erzeugung von 1000 kg Getreide bei einem Flächenertrag von 10dt/ha, also einer Anbaufläche von 1 ha, auf 110 Arbeitstage geschätzt werden. Für eine Jahresration von 200 kg Getreide (siehe unten) müsste eine Person demnach 23 Tage arbeiten.

zum Seitenanfang



- Boden und Nährstoffhaushalt

Eine Grundvoraussetzung für erfolgreichen Pflanzenbau ist ein gesunder Boden.
Die wichtigsten Maßnahmen zur Gesunderhaltung des Bodens sind Bodenbearbeitung, Fruchtfolge, Brache und Düngung. Werden sie vernachlässigt, gehen die Erträge zurück.
Schematische Darstellung des Stickstoffhaushalts in der Landwirtschaft   [zoom]
Je mehr geerntet wird, desto mehr Stickstoff wird entzogen. Erfolgt keine Rückführung durch Düngung oder durch die nachschaffende Kraft von Boden und Vegetation bei Brachen, sinken die Erträge.
Der N-Entzug durch die Ernte betragen etwa 20 kg je 1000 kg Ertrag, also 20 kg/ha angenommenen eisenzeitlichen Ertrag von 10 dt/ha demnach ausmacht. Die Bilanz wird negativ beeinflusst durch Auswaschung, durch Denitrifikation und durch Bodenerosion.
Die Auswaschung wird durch Bodenbearbeitung gefördert. Dabei wird Norg mineralisiert und pflanzenverfügbar und zugleich löslich gemacht. Von den absteigenden Wasserströmen in der kalten Jahreszeit wird Nmin ins Grundwasser ausgewaschen und geht verloren.
Die N-Nachlieferung im Boden erfolgt durch mikrobielle N-Fixierung, wobei besonders die Schmetterlingsblütler (Fabaceae) als Wirtspflanzen von Bedeutung sind. Die Nachlieferung kann auch durch – anthropogene - Umlagerung erfolgen, einerseits unbeabsichtigt durch kolluviale Akkumulation erodierten Oberbodens, andererseits durch bewusste Verlagerung aus marginalen Wirtschaftsräumen - z.B. Mist, Streu aus Wäldern, Weiden - oder durch Rückführung von häuslichen Abfällen auf die Äcker.

zum Seitenanfang



- Rechenmethode und Modellbildung

Das Modell zur Errechnung der maximalen Agrarproduktion im Umkreis der Zentralorte geht von folgenden Rahmenbedingungen aus:
  • Flächenertrag von 1000 kg/ha auf mittleren Böden von 1160 kg/ha auf mittleren bis guten, von 1360 kg/ha auf guten, von 1600 kg/ha auf guten bis sehr guten und von 1760 kg/ha auf sehr guten Böden.
  • Stickstoffentzug: 20 kg N pro 1000 kg Getreideernte.
  • Stickstoffmobilisierung durch Bodenbearbeitung: 45 kg/ha, Stickstoffverlust durch Auswaschung: 23 kg/ha*a.
  • Stickstoffgewinn durch Körnerleguminosen-Ambau: 1/3 der Ackerfläche mit Leguminosen bebaut, N-Fixierung durch Kraut und Wurzeln: 10 kg/ha.
  • Stickstoffgewinn durch Brache: 24 kg/ha*a, davon 30% Beweidungsverlust
Es wurden drei Brache-Varianten berechnet: Anbau zu Brache 1:1, 1:2 und 1:3.

Feldfruchterträge, ernährbare Personen und Stickstoffbilanz für verschiedne Umkreise und verschieden Brachesysteme um eisenzeitlichen Plätze. Die Angaben zur Fleischerzeugung stammen aus den Auswertungen von Stephan/Schatz Projekt Archäozoologie frühkeltischer Faunenfunde in diesem Spp   [zoom]
Beim 1:2 ist die Stickstoffbilanz ausgeglichen: Längere Brache (1:3) würde zu einer positiven Stickstoffbilanz führen. Bei kürzerer Brache (1:1), womit man sich den hochmittelalterlichen Verhältnissen annähern würde, wäre die Stickstoffbilanz negativ. Bei so kurzen Brachephasen kann sich die Bodenstruktur nicht ausreichend regenerieren, weshalb die Erträge nachlassen. Die Höchstzahl ernährbarer Personen wurde für einen Umkreis von 1,5, 3 und 6 km errechnet und geht von einem Bedarf von 2000 kcal. pro Person und Tag aus.

zum Seitenanfang



- Agrarisches Potential und Bevölkerungsdichte

Um Hochdorf und Walheim konnten fast doppelt so viele Menschen aus agrarischer Produktion ernährt werden als um Ipf und Heuneburg, nämlich 17 000 Personen im 6 km-Radius, 4000 im 3 km-Radius und 1500im 1,5 km-Radius, wenn man das plausibelste Verhältnis von Anbau zu Brache von 1:2 zugrunde legt. An der Heuneburg können
aus dem 1,5 km-Radius 700 Menschen mit Nahrung versorgt werden, am Ipf sogar nur 300. Überall trägt pflanzliche Nahrung mehr zur Kalorienversorgung bei als tierische, nämlich zwischen 76 und 98%. Der Flächenverbrauch durch den Siedlungsbau verminderte in Ha D1 an der Heuneburg die Zahl ernährbarer Menschen um rund 900.
Maximal ernährbare Bevölkerungsdichte im Umfeld zentraler eisenzeitlicher Plätze, im Vergleich mit der tatsächlichen Bevölkerungsdichte der entsprechenden Oberämter im frühen 19. Jahrhundert   [zoom]
Die resultierende maximale Bevölkerungsdichte beträgt am Ipf 80, an der Heuneburg 85, in Hochdorf 150 und im Walheim 160 Personen je km2. Die Bevölkerungsdichten des frühen 19. Jahrhunderts in den Oberamtsbeschreibungen für das Königreich Württemberg zeichnen dies nach: In den Oberämtern Neresheim, Riedlingen, Saulgau und Biberach lebten gut 50 Personen auf einem km², in den Oberämtern Leonberg und Vaihingen zwischen 100 und 120, und in den Oberämtern Besigheim und Ludwigsburg über 160 bzw. 180.
Die potentiell mögliche Bevölkerungsdichte für die Eisenzeit stimmt bei Walheim recht gut mit der des frühen 19. Jahrhunderts überein. Um Hochdorf liegt sie geringfügig unter der realen im Kreis Ludwigsburg des frühen 19. Jahrhunderts. Bei Ipf und Heuneburg ist die tatsächliche historische Bevölkerungsdichte etwas niedriger als die errechnete maximal mögliche. Oberschwaben und die Ostalb waren im frühen 19. Jahrhundert noch Agrarregionen, in denen landwirtschaftliche Überschüsse für Ballungsräume produziert wurden. Dagegen war im schon früh dicht besiedelten mittleren Neckarraum bereits die neuzeitliche Zentralisierung und Industrialisierung spürbar. Insgesamt dürfte im frühen 19. Jahrhundert das System Agrarproduktion/Bevölkerung im Königreich Württemberg am Limit gewesen sein.
zum Seitenanfang


Letzte Änderung: 30.06.2010